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Partizipative Stadtgeschichtsforschung:  Die Kooperation der Kölner Frühen Neuzeit mit der Citizen-Science-Gruppe KölnErforschen


Die Beteiligung von Bürger*innen an Wissenschaft und Forschung wird seit Längerem wissenschaftspolitisch eingefordert, doch wie so oft stellt sich die Frage, wie man eine solche Partizipation im Wissenschaftsbetrieb konkret ermöglicht. An der Uni Köln herrschen dafür eigentlich günstige Rahmenbedingungen, da die Koordinierungsstelle für das Gasthörer- und Seniorenstudium der UzK (KOOST) über die Semesterprogramme hinaus auf Grundlage des Konzepts des Forschenden Lernens auch die Konstituierung selbständig arbeitender Citizen-Science-Projektgruppen ermöglicht und diese propädeutisch und organisatorisch begleitet. Inhaltlich kommt es allerdings auf  Kooperationen mit den Fachwissenschaften an.

Da für uns am Lehrstuhl neben Forschung und Lehre auch Wissenstransfer eine große Rolle spielt, fanden wir die Anfrage der KOOST hochinteressant, einer Gruppe Seniorstudierender, die für ihr geplantes Citizen-Science-Projekt ein Thema zur Erforschung der Kölner Stadtgeschichte finden wollte, inhaltliche Impulse aus den aktuellen Forschungen der Kölner Frühen Neuzeit zu geben – zumal wir mit der Französischen Zeit (1794-1815) eine ausgesprochen turbulente Umbruchszeit der Kölner Stadtgeschichte erforschen.  Mittlerweile ist es 3 Jahre her, dass unsere Idee, bisher unerforschte Bürgerrechtsgesuche im Historischen Archiv der Stadt Köln zu untersuchen, bei der Gruppe spontan auf großes Interesse gestoßen ist und damit den Grundstein einer bereits mehrjährigen und unerwartet fruchtbaren Zusammenarbeit gelegt hat.

Das Konzept von Citizen Science war uns zwar ein Begriff, dennoch haben wir mit dieser Kooperation Neuland betreten, denn wir hatten bzw. haben es mit einer hochmotivierten lebenserfahrenen Gruppe Seniorstudierender mit unterschiedlichen Hintergründen zu tun, deren Projekt nicht in unsere Studiengänge eingebunden ist, die sich selbst organisiert und von einem externen Fachhistoriker begleitet wird. Letztendlich haben wir uns bei der Frage, wie wir Austausch und Partizipation an verschiedenen Stellen ermöglichen könnten, am Prozess des wissenschaftlichen Arbeitens und entlang der Arbeitsfortschritte der Gruppe orientiert.

Teilnahme an Oberseminaren und am Quellenatelier

Neben der Arbeit an den Bürgerrechtsgesuchen war und ist vor allen Dingen die Anbindung an die „lebendige Forschung“ der Frühen Neuzeit und der direkte Austausch mit jüngeren Studierenden für die Gruppe interessant. Dafür boten sich unsere regulären Oberseminare an, dessen Teilnehmer*innen sich mit einem anderen relevanten Bestand stadtgeschichtlicher Quellen der Französischen Zeit, nämlich den Edikten, befasst haben. Indem wir KölnErforschen regelmäßig zur Präsentation der Arbeitsergebnisse und zum Austausch in die Oberseminare eingeladen haben, konnten die jeweiligen Perspektiven zusammengeführt und erweitert werden. Außerdem haben die Seniorstudierenden mit ihrer engagierten Teamarbeit auch Motivationsimpulse für die Auseinandersetzung mit schwer lesbaren Handschriften gegeben. Um den Dialog darüber hinaus zu befördern, haben wir mit unseren Quellenateliers ein neues extracurriculares Format initiiert, um auch Expert*innen aus dem Historischen Archiv der Stadt Köln einzubeziehen.

Präsentationsmöglichkeiten bei öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen

Im Jahr 2024 bot insbesondere das von der Universität zu Köln, der Stadt Köln und der USB Köln gemeinsam veranstaltete Wallraf-Jubiläum, an dem wir uns umfangreich beteiligt haben, eine sehr gute Gelegenheit, auch die Citizen-Science-Gruppe einzubinden und deren Arbeit öffentlichkeitswirksam sichtbar werden zu lassen. Wir haben das Team KölnErforschen zu größeren Veranstaltungen wie beispielsweise einer Wochenend-Tagung der Thomas-Morus-Akademie in Bensberg oder einem offenen Dialognachmittag im Historischen Archiv der Stadt Köln eingeladen. Dort konnte sich die Gruppe im Rahmen von klassischen Vorträgen und Kurzreferaten im Rahmen eines innovativen „Speed-Datings“ einem interessierten Publikum präsentieren und den Stand der Arbeiten vorstellen.

Mehrwert für die Stadtgeschichte: Veröffentlichung von Befunden und Arbeitsergebnissen auf den digitalen Publikationsumgebungen der Frühen Neuzeit

Das außergewöhnliche Engagement der Gruppe, die Bereitschaft, sich mit anspruchsvollen Handschriften zu befassen und am Ende die hohe Qualität der Ergebnisse aus der Erschließung und Auswertung der Bürgerrechtsgesuche hat zu umfangreichen und interessanten Befunden geführt, die als aktueller Citizen-Science-Beitrag zur Stadtgeschichte in der Französischen Zeit unbedingt sichtbar sein sollten. Dafür boten sich insbesondere die digitalen Publikationsumgebungen der Frühen Neuzeit an. So hat KölnErforschen sowohl diverse Gastbeiträge auf Blog zeitenblicke verfasst, als auch deren Erschließungsrohdaten, die Arbeitstranskriptionen sowie quantitative Auswertungen zur Verfügung gestellt, die wir im Team der Frühen Neuzeit redaktionell und medial für die digitale Präsentation im Content-Management-System Typo3 aufbereitet haben. Die Ergebnisse sind zu finden auf MAP-Lab (Modern Academic Publishing Lab).

In einem finalen Schritt werden die Arbeitsergebnisse der Citizen-Science-Gruppe zu den Bürgerrechtsgesuchen bis Juli 2025 den Befunden der Studierenden aus der Arbeit mit den Edikten zur Seite gestellt. Daraus ergibt sich für die stadtgeschichtliche Forschung der Mehrwert, dass die Zugänglichkeit für gleich zwei relevante stadtgeschichtliche Quellenbestände aus der Französischen Zeit maßgeblich verbessert wurde. Jenseits der etwas sperrigen Bestandsarchitektur im Historischen Archiv ist jetzt der gesamte Bestand der Bürgerrechtsgesuche in einer Übersichtsliste erfasst, die einzelnen Datensätze direkt mit den Digitalisaten der Originale in den digitalen Lesesaal des Archivs verlinkt und zusätzlich mit den Arbeitstranskriptionen der Gruppe ergänzt.

Wie geht es nach dem ersten Projekt weiter? Workshop-Reihe zum Arbeiten mit der KI-gestützten Software Transkribus

Die Suche nach möglichen Anschlussprojekten führte dazu, dass Alexander Goebbels aus unserem Team im Wintersemester 2024/25 mehrere Transkribus-Workshops angeboten hat, um der Gruppe und weiteren Interessierten die Möglichkeiten der digitalen Transkription von Handschriften zu zeigen bzw. erste „Gehversuche“ anzuleiten. Experimentiert wurde mit den Kölner Ratsprotokollen, sodass die Gruppe nicht nur das Werkzeug, sondern auch einen weiteren relevanten Quellenbestand kennenlernen konnte.

Die anschließende Entscheidung von KölnErforschen, mit uns weiter zur Französischen Zeit  zusammenarbeiten zu wollen freut uns wirklich sehr, denn die Gruppe bearbeitet im Sommersemester 2025 die Ratsprotokolle aus den Jahren 1796 bis 1798 rund um die Schließung der Alten Universität und die endgültige Ablöse des Kölner Rats durch die französische Verwaltung. Mit dieser Untersuchung leisten die Seniorstudierenden erneut einen ergänzenden Beitrag zu unseren aktuellen Forschungen am Lehrstuhl, die sich mit Akteuren, Diskursen und Umbrüchen in der akademischen Bildung Ende des 18. Jahrhunderts insbesondere vor dem Hintergrund der Schließung der Alten Kölner Universität im Jahr 1798 durch die Franzosen und die anschließende Transformationsphase der akademischen Bildungsinstitutionen befassen.

Insofern sind wir mehr als gespannt auf unser 4. Quellenatelier am 9. Juli, das gemeinsam mit Gästen aus Archiven und interessierten Studierenden den aktuellen Stand der Arbeiten sowohl der Citizen Scientists als auch unserer wissenschaftlichen Mitarbeiter zusammenführen und erste Befunde zur Diskussion stellen wird!

Titelbild: Ausschnitt aus dem Plakat “Forschendes Lernen und Partizipation ermöglichen”

Zum Weiterlesen:

  • Ausführlicher Beitrag rund um das Konzept der Citizen-Science-Gruppen an der Universität zu Köln in der E-Zeitschrift ConTouren, verfasst von Lazaros Miliopoulos (KOOST), Christine Schmitt (Frühe Neuzeit) und Wolfgang Rosen (fachwiss. Begleitung der Gruppe KölnErforschen), dort auf den Seiten 20-27.
  • Gastbeiträge der Gruppe KölnErforschen unter der Blog-Rubrik Köln in der Französischen Zeit


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Christine Schmitt (26. Juni 2025). Partizipative Stadtgeschichtsforschung:  Die Kooperation der Kölner Frühen Neuzeit mit der Citizen-Science-Gruppe KölnErforschen. Blog Zeitenblicke – Frühe Neuzeit Uni Köln. Abgerufen am 13. November 2025 von https://doi.org/10.58079/147qj


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