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Etikette: Weg mit der knechtischen Titulatur – aber bloß nicht für immer!

Mit dem Edikt vom 27. September 1797 (Historisches Archiv der Stadt Köln, HAStK, Best. 14, A12, fol. 138) beschloss der Kölner Magistrat, die traditionelle Titulatur und Etikette in der Korrespondenz mit der Stadtverwaltung abzuschaffen und nur noch den Gebrauch einheitlicher Formulierungen wie „Bürger!“ und „Gruß und Respekt!“ zu erlauben. Der Bevölkerung wurde die neue Verordnung auf Flugblättern und in Zeitungen angezeigt. Für die französisch besetzte Stadt waren es insgesamt Zeiten großer Veränderungen. Der alte Rat war aufgelöst und ein neuer provisorischer Magistrat erst Anfang September 1797 ernannt worden. Die Vereinigung mit Frankreich stand kurz bevor (Frieden von Campo Formio, 17.10. 1797), 1798 wurde der Rhein zur östlichen Grenze Frankreichs und mit der Un­ter­zeich­nung des Frie­dens­ver­tra­ges von Lun­é­vil­le (1801) trat das Hei­li­ge Rö­mi­sche Reich das lin­ke Rhein­ufer auch for­mell an Frank­reich ab.

Aufgabe der neuen Administration war es, die Stadt als französische Verwaltungseinheit zu formen und die neuen Bürgerrechte entsprechend den republikanischen Idealen der Freiheit, Gleichheit und Verbrüderung zu etablieren. Der neuen Rechtsprechung und der Modernisierung der öffentlichen Ordnung diente auch das erwähnte Edikt. Die Abschaffung der alten Titulatur und Etikette bedeutete einen Bruch mit den sprachlichen Standards der aristokratischen Ordnung, in denen sich gesellschaftlicher Rang, Hierarchien und Privilegien manifestierten. Die moderne einheitliche Etikette sollte nun dem Prinzip der Gleichheit aller Bürger verpflichtet sein.

Bürger! Respekt! – Der neue Ton in den Bürgerrechtsgesuchen

Vorbildlich umgesetzt wurde die neue Vorschrift in den Bürgerrechts- und Niederlassungsgesuchen ab 1798, im vierten Jahr nach Einmarsch der Franzosen. Wer sich in Köln niederlassen oder das Bürgerrecht erwerben wollte, musste sich dem verordneten Sprachgebrauch anpassen und auf hierarchische Höflichkeitsfloskeln und Schmeicheleien verzichten.  Hier einige Beispiele:

Joseph Isaac, Kaufmann, März 1798
Historisches Archiv der Stadt Köln,
HAStK Best 350 A 190-01, fol. 9
Anrede:
“Bürger Präsident und Mitglieder des Magistrats!”

Grußformel:
“Gruß und Achtung
Ihr Ergebener Joseph Isaac von Mülheim am Rhein”


Joseph Buisson, Lehrer, März 1798
Historisches Archiv der Stadt Köln,
HAStK Best 350 A 190-01, fol. 19
Anrede:
“Aux Citoyens Officiers Municipaux de la Commune de Cologne Citoyens”

Grußformel:
“Salut et Fraternité,  Buisson”


Theodor Heinsberg, Juli 1801
Historisches Archiv der Stadt Köln,
HAStK Best 350 A 190-01, fol. 56
Anrede:
“Le Citoyen Theodor Heinsberg au Citoyen Maire de la Commune de Cologne. Etant intentionné, Citoyen, de passer le reste de mes jours dans cette Commune.”
Grußformel:
“Salut et Respect,   T. Heinsberg”

Wilhelm Esser, November 1803
Historisches Archiv der Stadt Köln,
HAStK Best 350 A 190-03, fol. 119
Anrede:
“Der Bürger Wilhelm Esser Huthmacher am Malzbüchel Nr 1060. an den Bürger Maire zu Köln
Bürger Maire!”
Grußformel:
“… der ich zeichne mit gruß und achtung Euer mitbürger W. Esser”

Die Ausdrücke „Salut“, „Fraternité“, „Respect“, also „Heil“, „Brüderlichkeit“, „Respekt“ spiegeln mithin die egalitäre und gleichberechtigte Stellung von Antragsteller und dem Gewährenden. Der Bürgermeister „Maire“ ist schlicht „Bürger“ und der Antragsteller entsprechend „Mitbürger“. Man traf sich – jedenfalls rein sprachlich – auf derselben Ebene.

Hochwohlgebohren! Untertänigst! – Restauration der Etikette in den Bürgerrechtsgesuchen

Doch schon wenige Jahre später wandelte sich der Sprachgebrauch in den Bürgerrechtsgesuchen. Mit der nüchternen, modernen Etikette und der Ablehnung der Titulatur war es vorbei. Restaurative Merkmale, die an die alte aristokratische Ordnung erinnerten, kehrten zurück. In den Petitionen fanden sich durchgängig wieder Titel, Ehrerbietungen und Höflichkeitsformeln.

Joseph Biller, Januar 1805
Historisches Archiv der Stadt Köln,
HAStK Best 350 A 190-4, fol. 219
Anrede:
“Hochwohlgebohner gnädiger Herr!
Euer gnaden unterdienstlichst anzuzeigen finde mich Eußerst bemüßigt…”

Schlussformulierungen:
“So ergehet vor allem zu Euer gnaden meine unterdienstlichste bitte höchst dieselbe geruhen zu wollen, mich in das hiesige Bürger-Register inseriren und beischreiben zu laßen.

Euer Gnaden Unterthängiste Joseph Biller”

Die Veränderungen sind augenscheinlich: Der Gewährende ist nun wieder der „Hochwohlgebohrene, gnädige Herr” und der Antragsteller nähert sich „unterdienstlichst”. Es ist binnen weniger Jahre gleichsam eine Wiederaufnahme, ja sprachliche Wiederherstellung der vorrevolutionären Verhältnisse zu beobachten. Aus der Französischen Republik war ja 1804 wieder ein Kaiserreich geworden.

Doch es gab einen bezeichnenden Unterschied zur alten aristokratischen Ordnung, Durch Titel und Etikette wurden jetzt die Vertreter der neuen politischen Elite, die sich unter Napoleons Herrschaft gebildet hatte, ausgezeichnet und gewürdigt. Nicht mehr Stand oder Geburtsadel waren dafür ausschlaggebend, sondern Leistung, Verdienst und Loyalität. Zu diesem Zweck hatte Napoleon 1802 die Ehrenlegion als eine Art Elitecorps gegründet. Auch Johann Jakob von Wittgenstein, seit 1803 Kölner Bürgermeister, wurde von Napoleon zum Mitglied der Ehrenlegion ernannt. Hier am Ende noch ein Beispiel dafür:

David Hirsch, Händler, Juni 1805
Historisches Archiv der Stadt Köln,
HAStK Best 350 A 190-4, fol. 268-269
Anrede:
“Herrn von Wittgenstein Maire der Gemeinde Köln und Mitglied der Ehren Legion!”
Grußformel:
“Der ich die Ehre habe mich mit der größten Hochachtung zu nennen Ihr gehorsamster Diener”

Verfasst für die Citizen-Science-Gruppe KölnErforschen: Gisela Walger

Titelbild: Ausschnitt des Ediktes vom 27. September 1797 (Historisches Archiv der Stadt Köln, HAStK, Best. 14, A12, fol. 138)

Zum Nachlesen:


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Gruppe KölnErforschen (27. März 2025). Etikette: Weg mit der knechtischen Titulatur – aber bloß nicht für immer! Blog Zeitenblicke – Frühe Neuzeit Uni Köln. Abgerufen am 22. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/13kwk


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