Auf den Spuren von Hexenprozessen: Eine Exkursion ins Landesarchiv Münster

Letzte Woche Donnerstag besuchten die Teilnehmer*innen des Hauptseminars der Kölner Frühen Neuzeit, das sich unter der wissenschaftlichen Leitung von Professorin Gudrun Gersmann aktuell mit dem Thema Hexenverfolgung beschäftigt, zum zweiten Mal in diesem Semester das Landesarchiv Münster. Wie bei jeder bisherigen Exkursion hatte die Archivdirektorin – Frau Dr. Mechthild Black-Veldtrup – einige spannende Programmpunkte für die Studierenden vorbereitet: Arbeiten mit einer Originalquelle, eine Rallye durchs Archiv und am Ende die Erstellung eigener Urkunden samt Wachssiegel und individuellem Monogramm.

Das Highlight des Ausflugs war die Quellenarbeit bzw. die gemeinsame Transkription der aus dem Jahre 1830 erfolgten Abschrift eines Gerichtsscheins über eine im Jahr 1647 am Freistuhl zu Gemen vorgenommene Kaltwasserprobe an einem Mann namens Dietrich Forck. Als Verfasser dieser Abschrift konnte der westfälische Archivar und Historiker Joseph Niesert identifiziert werden. Laut Frau Black-Veldtrup ist eine solche Abschrift aus dem 19. Jahrhundert als „Einstiegsdroge“ wesentlich leichter zu „verdauen“ als die schwer lesbare Originalquelle von 1647. Man dürfe sich, so berichtete sie weiter, allerdings nicht von der damaligen Rechtschreibung irritieren lassen, da es um 1800 noch keinen Duden gegeben habe. Als ersten Tipp empfahl sie den Studierenden lautes Vorlesen zum besseren Verständnis des Inhaltes, was diese prompt taten.

Nach einer kurzen Einzelarbeit wurde den Studierenden auch schon die Besonderheit dieser Akte deutlich: Es handelte sich dabei um eine von dem Angeklagten selbst zum Beweis der Unschuld eingeforderte Wasserprobe. Bei solchen Proben wurden die über Kreuz gefesselten Angeklagten in kaltes Wasser geworfen – „schwammen“ sie an der Oberfläche, galt dies nach zeitgenössischem Verständnis als klarer Beleg dafür, dass es sich bei ihnen um Hexen oder Zauberer handelte. Im Laufe des Transkribierens trat die „Geschichte hinter der Quelle“ zu Tage: Dietrich Forck war durch „leichtfertige Leuthe“ (Bl. 1r) der Hexerei bezichtigt worden und hatte sich durch die Wasserprobe von jedem Verdacht reinigen wollen. Am 18. September 1647 hatte der Scharfrichter ihn schließlich „öffentlich im beisein seiner Verwandten, Nachbarn und unzahlbaren Gemeintslauten“ (Bl. 1r) ins Wasser geworfen. Offensichtlich durchaus erfolgreich, denn die Akte führt mehrere Zeugen an, die unter Eid die Rechtmäßigkeit und den für den Angeklagten positiven Verlauf der Wasserprobe bestätigten. Da der Angeklagte „zu grunt gefallen, und solange gelegen, daß er widder außgezogen worden [musste]“ (Bl. 1v), sei seine Unschuld klar erkennbar gewesen. Interessanterweise nahmen dabei seine Verwandten eine wichtige Rolle ein – sie hätten ihn sofort nach der Probe „loesgebunden und gekleidet“ (Bl. 1v), was sicherlich bei den herbstlichen Temperaturen Westfalens eine Wohltat gewesen sein muss.
Doch das war nicht die einzige Besonderheit der Akte. Im Anhang der Quellenabschrift finden sich nämlich weitere Verweise auf Wasserproben, die im 17. Jahrhundert in Bocholt und Gemen durchgeführt worden waren: Nieserts Hinweise regen zu weiteren Forschungen an. Die Quelle bot also sowohl im Hinblick auf die detailreichen Beschreibungen der durchgeführten Wasserprobe als auch im Hinblick auf die Archiventdeckungen Nieserts viele Anregungen für die im Anschluss stattfindenden Diskussionen. Insgesamt war die Exkursion ein voller Erfolg! Vielen Dank an dieser Stelle an Frau Black-Veldtrup, wir kommen sehr gerne wieder!
Zum Nachlesen:
- LAV NRW, Abt. Westfalen, Best. B 001/Fürstbistum Münster, Landesarchiv – Akten, Nr. 9781 (Altsignatur: 73–19a).
Titelbild: Foto einer Studentin beim Transkribieren, © Lehrstuhl Frühe Neuzeit, Marina Lenz.
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Marina Lenz (23. Januar 2025). Auf den Spuren von Hexenprozessen: Eine Exkursion ins Landesarchiv Münster. Blog Zeitenblicke – Frühe Neuzeit Uni Köln. Abgerufen am 15. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/1351l